Riwwelkuchen gibt es immer
Larissa Mass im Interview
Wenn sich Larissa Mass’ Familie an den Feiertagen trifft, backt immer jemand Riwwelkuchen nach dem russlanddeutschen Rezept der Großmutter. Die Großmutter hat viel Wert darauf gelegt, Russlanddeutsche zu sein. Für die junge Generation spielt die Familiengeschichte aber oft keine Rolle mehr. Im Interview erzählt Larissa, was es für sie bedeutet, eine russlanddeutsche Familie zu haben.
Woher kommt deine Familie?
Meine Vorfahren kommen aus Schwaben und dem schlesischen Teil Deutschlands. Die Familie meiner Großmutter zog schon im 18. Jahrhundert nach Kasachstan, um dort Land zu bewirtschaften. Die Familie meines Großvaters wurde 1941 nach Kasachstan deportiert. In Taldyqorghan nahe der chinesischen Grenze, lernten sich meine Großeltern kennen. Dort kam ich 1989 zur Welt. Als ich drei Jahre alt war, sind wir nach Niedersachsen gegangen. Heute leben meine Verwandten in der Nähe von Hannover. Ich selbst wohne in Berlin.
Wie wichtig ist die russlanddeutsche Geschichte für deine Familie?
Ich bin eng mit meiner Großmutter aufgewachsen. Sie hat mir immer viel erzählt. Es war ihr wichtig, dass ich weiß, woher wir kommen. Sie hat viel Wert darauf gelegt, dass ihre Vorfahren aus Schwaben kommen und sie noch schwäbischen Dialekt spricht. Ich habe viel zum Thema „Russlanddeutsche“ recherchiert. Meinen Cousinen und Cousins ist ihr russlanddeutscher Hintergrund nicht so wichtig. Sie sind in Deutschland geboren und aufgewachsen.
Was hast du zu diesem Thema recherchiert?
Ich habe Vergleichende Literatur- und Kunstwissenschaft studiert. Für meine Bachelorarbeit habe ich Interviews mit Russlanddeutschen in drei Generationen geführt, also mit Großeltern, Eltern und Kindern. In meiner Masterarbeit habe ich über die russlanddeutsche Literatur nach 1990 geschrieben. Ich habe mich mit Eleonora Hummels Werken „Die Fische von Berlin“ und „Die Venus am Fenster“ auseinandergesetzt und mit dem Bildband „Mein Name ist Eugen“.
Was ist von der russlanddeutschen Kultur geblieben?
Meine Oma hat immer den russlanddeutschen Riwwelkuchen gebacken, einen Streuselkuchen. Das Rezept ist in der Familie weitergegeben worden. Immer wenn wir uns treffen, backt irgendjemand Riwwelkuchen. Bei Familienfesten wurden früher oft russlanddeutsche Volkslieder angestimmt, zum Beispiel „O Susanna, wunderschöne Anna“. Diese Volkslieder wurden im 18. Jahrhundert aus Deutschland nach Russland und Kasachstan mitgenommen. In der deutschen Kultur gibt es sie heute gar nicht mehr. Aber in der russlanddeutschen Kultur haben sie weitergelebt.
Wirst du eure Geschichte an die nächste Generation weitergeben?
Ja, auf jeden Fall. Die Geschichte ist ein sehr wichtiger Teil meiner Familie und ich möchte, dass auch meine Kinder wissen, woher wir kommen. Ich bin gespannt, wie das bei der nächsten Generation sein wird. Wird sie die russlanddeutsche Kultur noch für sich definieren können? Oder wird das schon etwas Vergangenes sein?
Das Interview führte Magdalena Sturm.
Foto: privat (Larissa Mass)