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Helga Paris in Sibirien
ifa mit rgbgoethe-institut
Lächeln müssen Sie für mich nicht
 
  
PlakatAm 4. Februar wurde im Wrubel-Museum in Omsk die Wanderausstellung „Helga Paris: Fotografie“ eröffnet. Die Ausstellung ist ein Projekt des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) und des Goethe-Instituts Nowosibirsk. Zur Vernissage reiste die Fotografin selbst nach Sibirien.

Ramona heißt das Mädchen, das auf dem Ausstellungsplakat zu sehen ist. Mit ruhigem, ernstem Blick sieht sie direkt in die Kamera, die Hände vor dem Körper gekreuzt. Sie trägt einen langen, hochgeschnittenen Rock, eine Strickjacke. Die Fotografie entstand 1982 in einem alten Hauseingang in der Ostberliner Kollwitzstraße, die damals in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) lag. Helga Paris führt Besucher durch die Ausstellung. „Ramona sah nicht aus wie ein Kind der 1980er Jahre“, erklärt sie das Bild. „So hatte ich in diesem Alter ausgesehen, in den 1940er Jahren. Sie schien aus einer anderen Zeit zu kommen. Das hat mich sehr berührt“.


 
Momentaufnahmen in Schwarzweiß
Helga Paris wurde 1938 in Goleniów/Gollnow in Pommern, im heutigen Polen, geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mussten viele Deutsche aus den ehemals deutschen Gebieten fliehen. So kam auch Helga Paris 1945 nach Zossen bei Berlin, wo sie bis in die 1960er Jahre lebte. 1966 zog sie in den Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg um. Hier fotografierte sie erst die Nachbarn, dann die Straße. Schritt für Schritt wagte sie sich mit der Kamera weiter vor, porträtierte Müllmänner, Kriegsveteranen, Punks, Kneipenbesucher, Fabrikarbeiterinnen. Die Fotografien fangen Momente ein – Gesten, Gesichter, Haltungen. Durch die Schwarzweißbilder fühle man sich „in die Geschichte gezogen“, sagt Dr. Stefanie Peter, Leiterin des Goethe-Instituts Nowosibirsk. Noch heute hat Helga Paris Schuhkartons voller alter Familienbilder aus den 1930er und 1940er Jahren. „Der Amateur ist der Liebhaber“, meint sie, „er fotografiert nur, was er schön und interessant findet. Meine Aufnahmen zeigen Verständnis, Sympathie für die Menschen, die ich fotografiere.“
 
Ein bisschen Nostalgie, ein bisschen Realität
4 Aus_Hauser_und_Gesichter._Halle_1983-85_Helga_ParisIn den 1980er Jahren fotografierte Helga Paris in Halle im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt. Die geplante Ausstellung musste abgesagt werden, weil die Aufnahmen den Verfall der Altstadt zu offensichtlich zeigten. Erst nach der Wende konnten die Bilder ausgestellt werden. Obwohl sie über die Wiedervereinigung Deutschlands froh sei, habe Helga Paris nie in den Westen gewollt. „Der Osten war dunkel und schwer, aber es gab Hoffnung: die Hoffnung auf Sozialismus. Auch wenn wir wussten, dass das ein Traum ist“, sagt sie. Die kommunistische Idee sei gut gewesen, aber in der Realität nicht möglich. Ihre Fotografie vereint diese Gegensätze: ein bisschen Nostalgie, ein bisschen Realität. Eine Fotoserie trägt den Titel „Erinnerungen an Z“ und ist ihrer Heimat Zossen gewidmet. 1994 sucht sie dort nach Bildern, an denen sie ihre Erinnerung festmachen kann. Dafür arbeitet sie viel mit Unschärfe. „Ich habe gemerkt, dass das der Schlüssel ist: Die Fotografie muss unscharf sein“, erzählt sie, „denn unser aller Erinnerung ist so: Es gibt kleine, scharfe Splitter, aber vieles bleibt verschwommen“.
 
Ganz gerade, ganz ruhig
Auch in Italien, Georgien, Polen und Siebenbürgen in Rumänien entstanden kleinere Fotoserien. Nach Siebenbürgen reiste Helga Paris im Jahr 1980. Sie sollte für den ostdeutschen Brockhaus-Verlag Buchillustrationen fotografieren. Sie war überrascht darüber, wie sich die Leute vor der Kamera positionierten: Ganz gerade, ganz ruhig, die Hände an den Seiten des Körpers, Auge in Auge, ohne zu lachen. „So stand man vor hundert Jahren beim Fotografieren“, schmunzelt sie, „Ich fand das erst sehr eigenartig. Ich dachte: Soll ich sie jetzt etwa so fotografieren?“ Das tat sie und im Nachhinein ist sie froh über die Geradlinigkeit, die Ehrlichkeit der Portraits. Von nun an macht sie Portraitfotos bewusst in dieser offenen Art. Sie zeigt die Leute natürlich, unverfälscht. Wenn sie ein Foto macht, sagt sie nur: „Lächeln müssen Sie für mich nicht.“
   
Digitale Selfies und analoge Portraitfotografie
IMG 7059aÜber neun Jahre hinweg fotografierte Helga Paris auch sich selbst. „An manchen Tagen fühlte ich mich schlecht. Das sieht man sofort auf dem Bild“, erzählt sie, während sie die Besucher zur Selbstportrait-Serie führt, „Am nächsten Tag wirke ich schon ganz anders, erfrischt. Es ging mir wie einem Dichter, der sein Leid in Versen niederschreibt. Ich sehe die Bilder und denke: Mein Kummer war nicht umsonst, er war produktiv“. Die Portraitfotografie befinde sich gerade im Wandel, sagt Goethe-Institutsleiterin Stefanie Peter. Meist werde die Digitalfotografie als Niedergang der Fotokunst dargestellt, als Kontrast zur edlen, hehren Schwarzweiß-Fotografie. Stefanie Peter glaubt nicht daran: „Auch bei analoger Fotografie wurde früher viel – wie man so schön sagt – ‚geknippst‘. Viel spannender ist die Frage, was das Selfie aus der Portraitfotografie macht. Das wird man sehen“. Im Anschluss bitten einige junge Frauen um ein Foto mit Helga Paris. Ein Selfie mit der Fotografin.
 
Termine der Ausstellung „Helga Paris: Fotografie“:

4.2. – 15.2.2016
Wrubel Museum Omsk

11.3. – 10.4.2016
Kunstmuseum Tomsk

21.4. – 22.5.2016
Landeskundliches Museum Nowosibirsk

Nähere Informationen gibt es auf den Seiten des Instituts für Auslandsbeziehungen und des Goethe-Instituts Nowosibirsk.
 

Magdalena Sturm


  

Fotos: Ausstellungsplakat, Ramona, Kollwitzstrasse, 1982 © Helga Paris; Einzelbild aus der Serie Häuser und Gesichter, Halle 1983-85 © Helga Paris; Ausstellungseröffnung, Tatjana Smetanina, © Goethe-Institut
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