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Schreiben mit der Schere

Ein Collageworkshop

Magdalena Sturm rechts aussen mit Teilnehmerinnen des Collage Workshops Foto Andreas Dell Deutsch Russisches Haus OmskDas Wohnzimmer der Schriftstellerin Herta Müller in Berlin ist ein richtiges Wörterlager. Aus einzelnen Wörtern, ausgeschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften, entstehen hier Gedicht-Collagen. Am 22. November 2018 wurden auch im Kultur- und Geschäftszentrum „Deutsch-Russisches Haus“ in Omsk Collagen geklebt. Magdalena Sturm, Redakteurin bei „vitamin de – Journal für junge Deutschlerner“ hat den Workshop geleitet.

„Die Collage ist der intensivste Kontakt mit Sprache, weil man jedes Wort einzeln anfassen muss“, sagte Herta Müller einmal. Die deutsch-rumänische Schriftstellerin weiß, wovon sie spricht: Ihr Wohnzimmer ist voll von kleinen Wortschnipseln aus Zeitungen, fein säuberlich sortiert, in mehreren Schubladen verstaut. Seit vielen Jahren dichtet Herta Müller mit Schere und Kleber. Angefangen hat alles auf Reisen. Weil ihr die touristischen Ansichtskarten nicht gefielen, kaufte Herta Müller leere weiße Postkarten, schnitt aus Zeitungen Wörter aus und klebte sie zu Mini-Gedichten zusammen. „Ich war fasziniert, wie viel in wenigen Worten transportiert werden kann“, sagt sie. Inzwischen hat die Autorin schon vier Collage-Sammlungen publiziert. Diese Wortcollagen hat sich der Workshop „Schreiben mit der Schere“ zum Vorbild genommen.

Deutsche Komposita

Im Workshop entstanden aus Wortschnippseln Collagen Foto Andreas Dell Deutsch Russisches Haus Omsk

Zu Beginn wurden Leben und Werk der Autorin kurz vorgestellt. Herta Müller, geboren 1953, ist Angehörige der Banater Schwaben, einer deutschsprachigen Minderheit im Westen Rumäniens. Seit 1987 lebt sie in Deutschland. Im Jahr 2009 wurde sie für ihren Roman „Atemschaukel“ mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Im Anschluss an die Präsentation beschäftigten sich die Teilnehmenden spielerisch mit Komposita. Denn, so Herta Müller, „das Schönste am Deutschen sind die zusammengesetzten Wörter.“ In ihren Texten und Gedichten entstanden viele Wortkreationen wie „Herzschaufel“, „Holzmelone“ oder „Blechschaf“. Nachdem auch die Teilnehmenden mit zusammengesetzten Wörtern experimentiert hatten, machten sie sich an das Kleben von Collagen – ob Gedicht, kurze Geschichte oder Assoziation.

Aus chaotischen Fragmenten

Teilnehmerinnen beim Erstellen von Collagen Foto Magdalena Sturm

Auf ausgedruckten Fotografien entstanden assoziative Collagen zu Themen wie „Karriere – Ja oder Nein?“, „Miteinander leben lernen“ oder „Das Hier und Jetzt genießen“. Für Teilnehmerin Ekaterina Schmeljowa war das Erstellen der Collage ein interessanter Prozess. „Das ist eine ganz andere Art zu schreiben“, sagt sie. Auch Katerina Dokschina ist begeistert. „Ich hätte nie gedacht, dass man aus kleinen chaotischen Fragmenten etwas so Tolles und Inspirierendes schaffen kann!“. Durch die Wortcollage habe sie die deutsche Sprache von einer neuen Seite betrachten und näher kennenlernen können. Und Katerina fügt noch hinzu: „Ein schöner Bonus war, dass wir uns während des Prozesses mit einer deutschen Muttersprachlerin unterhalten konnten“. Die Collagen sind zurzeit im Deutsch-Russischen Haus in Omsk ausgestellt und können hier angesehen werden.

 

Magdalena Sturm
Fotos: Andreas Dell/Deutsch-Russisches Haus Omsk (Teilnehmer mit fertigen
Collagen, Wortschnipsel), Magdalena Sturm (Teilnehmer beim Erstellen der Collagen)

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