Der vergessene Holocaust in Transnistrien
Ukrainisch-moldauische Erinnerungswerkstatt
vitamin de Ausgabe Nr. 85, Regionalausgabe Ukraine
Veronika Yashnova besucht das Taras-Schewtschenko-Gymnasium Nr. 1 in Czernowitz. Im letzten Jahr hat die 16-Jährige sowohl bei dem Projekt „Vergessener Holocaust in Transnistrien?“ mitgemacht als auch bei der ukrainisch-moldauischen Erinnerungswerkstatt zu diesem Thema in der Grenzstadt Mohyliw-Podilskyj. Von ihren Eindrücken berichtet die Schülerin.
Um an der deutschsprachigen Erinnerungswerkstatt für ukrainische und moldauische Schüler und Studenten teilzunehmen, mussten wir uns mit Präsentationen über die Ghetto- und Deportationsgeschichte der Czernowitzer Juden bewerben. Im Fach Geschichte haben wir viel über die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten in unserer Heimatstadt erfahren. Da Hitlerdeutschland und Rumänien damals Verbündete waren, errichteten die rumänischen Behörden im Oktober 1941 in Czernowitz ein Ghetto für über 50 000 Juden. Mehr als 30 000 von ihnen wurden in Lager Transnistriens deportiert, wo nur ein Drittel überlebte.
Gemeinsam Forschen
Am Anfang habe ich bei dem Projekt mitgemacht, weil ich mein Deutsch verbessern wollte. Durch das Projekt habe ich aber verstanden, wie wichtig die Zusammenarbeit von Schülern und Studenten aus der Ukraine und der Republik Moldau ist. Zum Beispiel haben wir gemeinsam zu den Überlebensbedingungen im Ghetto recherchiert. Während der dreitägigen Erinnerungswerkstatt in Mohyliw-Podilskyi haben wir eine lehrreiche Stadtführung erlebt und eine Exkursion in die ukrainische Stadt Berschad unternommen, wo es auch ein jüdisches Ghetto gab. Dort haben wir Interviews mit Zeitzeugen durchgeführt. Im Laufe des Projekts habe ich sehr viel über die jüdische Geschichte und Kultur in Transnistrien gelernt. Ich denke, dass solche Projekte sehr nützlich sind, weil sie die Geschichte nicht vergessen lassen und zu einer Erinnerungskultur beitragen.
Veronika Yashnova
Foto: Filmdokumentation Vergessener Holocaust – Eine Reise nach Transnistrien (Veronika), Auswärtiges Amt (Logo))
Erinnerungswerkstatt in Mohyliw-Podilskyj
20 ukrainische und moldauische Studenten und Schüler aus Czernowitz, Mohyliw-Podilskyj, Bălţi und Chișinău beschäftigten sich unter der Leitung von Mykola Kuschnir (Czernowitz) und Dr. Galina Corman (Chișinău) mit der Geschichte des Holocaust in Transnistrien. Der Fokus der Erinnerungswerkstatt im Oktober 2019 lag auf dem Austausch und den gemeinsamen Recherchen in binationalen Teams. Die jungen Leute lernten durch Erzählungen, Briefe, Fotos, Filme und Gespräche mit Zeitzeugen den historischen Kontext und die Schicksale der jüdischen Deportierten in den Ghettos und Lagern Transnistriens von 1941 bis 1944 kennen. Sie erkundeten die aktuellen Formen der Erinnerungskultur und befragten Passanten, welche Rolle die Erinnerung an den Holocaust für sie heute noch spielt. Die Erinnerungswerkstatt und die Filmdokumentation „Vergessener Holocaust – Eine Reise nach Transnistrien“ sind ein Projekt des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wurden vom Auswärtigen Amt gefördert.
Infos unter: https://ikgs.de/schwerpunkte/vergessener-holocaust