|
||||
Barys Kyt ist ein Mann im Alter von stolzen 105 Jahren. Er hat nicht nur Unglaubliches miterlebt, sondern nennt auch verschiedene Orte seine Heimat. Er lebt in Frankfurt am Main in Deutschland, doch mit Belarus ist er für immer verbunden. Rajko Lassonczyk porträtiert den beeindruckenden Mann.
Am 6. April 1910 wird Barys Kyt in Sankt Petersburg geboren. Der Vater gerät als Beamter in die Wirren der Oktoberrevolution und flieht mit seiner Familie zurück in sein belarussisches Heimatdorf. Dieses Dorf ist heute ein Ortsteil der Stadt Karelichi im Grodnoer Gebiet. |
||||
Unterricht in der Heimatsprache |
||||
Der junge Barys besucht polnische und belarussische Schulen, bevor er 1928 ein Mathematik- und Physikstudium in Vilnius aufnimmt. Noch als Student beginnt er, Mathematik an der Wilnaer Belarussischen Schule zu unterrichten, 1939 wird er ihr Direktor. Nachdem Vilnius die Hauptstadt der Sozialistischen Sowjetrepublik Litauen wird, kehrt Kyt in seine Heimatregion zurück. Er arbeitet als Lehrer, Lehrerausbilder und Bildungsbeamter und eröffnet zahlreiche belarussischsprachige Schulen im Umland von Novogrudok. Es ist ihm wichtig, dass die Schuler in ihrer Heimatsprache unterrichtet werden und möglichst viel über die belarussische Kultur lernen. |
||||
Beitrag zur Mondlandung |
||||
Kyt setzt seine Lehrertätigkeit auch während der deutschen Besatzung zwischen 1941 und 1944 in der Nahe von Molodechno und in Postavy fort. Für einen Monat kommt er in Haft, da ihn die Deutschen der Unterstützung der Partisanen verdächtigen. Ehemalige Schuler setzen sich jedoch für ihn ein und erreichen seine Freilassung. 1944 flieht er aus Angst, von den Sowjets als Kollaborateur verfolgt zu werden, Richtung Westen. Das Kriegsende erlebt er in Deutschland. Bis 1948 bleibt er in München und unterrichtet dort am ukrainischen Lyzeum. Dann wandert er nach Amerika aus. Zunächst arbeitet er als Chemiker, später vermittelt ihm ein Landsmann den Kontakt nach Los Alamos. Ab jetzt ist Kyt Teil des amerikanischen Raumfahrtprogramms. Seine Berechnungen zum Raketentreibstoff tragen zur erfolgreichen Mondlandung bei. Bis 1972 ist er fur verschiedene staatliche und private Arbeitgeber tätig. Sogar für das Verfassen von Fachbüchern findet er noch Zeit. |
||||
Wieder in Deutschland |
||||
Ein Forschungsprojekt führt ihn nach Deutschland. Dort verliebt er sich, bleibt und lebt seitdem in Frankfurt am Main. Auf den Gebieten der Mathematik und Wissenschaftsgeschichte forscht er weiter, promoviert in Regensburg und erhält später Ehrendoktorwürden, unter anderem von der Universität Grodno. Barys Kyt ist Mitglied aller großen Raumfahrtgesellschaften. Seit 1990 hat er seine alte Heimat Belarus mehrfach besucht. Ein Jahrhundertleben zwischen Hitler und Stalin, zwischen Russland, Polen, Litauen, Belarus, Deutschland und Amerika. Barys Kyt ist ein Kosmopolit, der Systeme kommen und gehen gesehen hat und trotzdem immer seiner belarussischen Herkunft eng verbunden geblieben ist. Am 6. April dieses Jahres wurde er 105 Jahre alt. |
||||
|
||||
Rajko Lassonczyk |
Foto: Universität Vilnius |