Meine Heimat Kirgisistan
Zusammenleben verschiedener Ethnien
vitamin de Ausgabe Nr. 72, Regionalausgabe Zentralasien
Anfang Dezember 2016 hat an der Kirgisischen Staatlichen Technischen Razzakow-Universität in Bischkek ein Seminar zum Thema „Das Zusammenleben von Kirgisen, Deutschen und anderen Ethnien in Kirgisistan“ stattgefunden. Es wurde vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert.
In Kirgisistan leben heute Repräsentanten von mehr als 29 verschiedenen ethnischen Gruppen. Neben Kirgisen sind das vor allem Usbeken und Russen. Im Zusammenleben der verschiedenen Kulturen kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten und Differenzen. Die Regierung stärkt die Stellung der kirgisischen Sprache und Kultur. Vertreter der Minderheiten, die das Kirgisische nicht beherrschen, haben dadurch oft Probleme. Eine Woche lang versuchten sich 15 Studierende verschiedenster Fachrichtungen aus den Städten Osch und Bischkek als Anthropologen.
Ein wichtiges Thema
Schon in der Vorstellungsrunde zeigte sich, wie wichtig das Thema ist. Eine ethnische Russin bezeichnete Kirgisistan als ihre Heimat und wurde prompt von einem anderen Teilnehmer zurechtgewiesen. Um die Studierenden gegen solche Vorurteile zu wappnen, konnten sie sich bei Rollenspielen in andere Kulturen hineinversetzen. In einem biografischen Partnerinterview lernten sie sich untereinander besser kennen. Bis zu zwei Stunden dauerten dann die Interviews mit Vertretern verschiedener Ethnien. Während der Interviews und bei der anschließenden Analyse nahmen die Teilnehmenden auch ihr eigenes Land ganz anders wahr. Bei einer Exkursion durch Bischkek wurde die ethnisch geprägte Architektur besichtigt. Zum Abschluss fuhr die Gruppe in das Dorf Rotfront, in dem heute noch deutschsprachige Mennoniten leben, deren Vorfahren vor über 200 Jahren nach Zentralasien gekommen waren. Einigen Teilnehmenden hat es so gut gefallen, dass sie nun gemeinsam mit deutschen Studierenden ein Forschungsprojekt konzipieren möchten.
Eindrücke der Teilnehmer
Die Teilnehmerinnen Ajdana Bajbagyschewa und Ksenija Melnikowa studieren an der Kirgisisch-Russischen Slawischen Universität Bischkek. Ajdana studiert Anglistik, Ksenija Germanistik. Die beiden berichten von ihren Eindrücken.
Ausflug nach Rotfront
In Rotfront lernten wir den Deutschen Wilhelm Lategahn kennen, der vor sieben Jahren aus Deutschland nach Kirgisistan gekommen war und bei der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) arbeitet. Er hat uns viel Interessantes über die Geschichte der Deutschen in Kirgisistan erzählt. Danach führte er uns durch sein Haus und durch das Gebetshaus der Mennoniten. - Ajdana Bajbagyschewa
Jeder erzählte etwas Neues
Wir sollten ein biografisches Interview mit einem Vertreter einer anderen Ethnie durchführen. So etwas hatte ich noch nie gemacht. Die Tipps, die wir dazu von einer Anthropologin bekommen hatten, haben mir sehr geholfen. Die Analyse der Interviews war äußerst bereichernd, jeder erzählte etwas Neues. Als angehende Übersetzerin und Dolmetscherin war das Seminar sehr aufschlussreich für mich. - Ksenija Melnikowa
Yves-Oliver Tauschwitz
Foto: Yves Tauschwitz/DAAD (Seminarteilnehmer in Bischkek)